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Weihnachtsgottesdienste Interview mit Dekan

Verzichten oder feiern? Dekan Volkhard Guth spricht im Interview über die bevorstehenden Weihnachtsgottesdienste im Dekanat Wetterau. Er sagt: "Als Kirche stecken wir im Zwiespalt."

Verzichten oder feiern? Dekan Volkhard Guth spricht im Interview über die bevorstehenden Weihnachtsgottesdienste im Dekanat Wetterau. Er sagt: "Als Kirche stecken wir im Zwiespalt."

Anna-Luisa Hortien: In wenigen Tagen wird es Weihnachten. Aktuell stehen viele Kirchengemeinden vor der Frage, ob sie Gottesdienste feiern sollen. Feiern Sie?

Volkhard Guth: Es stehen noch einzelne Gottesdienstfeiern in meinem Kalender. Für Heiligabend haben mir Gemeinden aber bereits abgesagt. Ich tue meinen Dienst noch in den Gemeinden, die Präsenzgottesdienste feiern wollen. Persönlich würde ich in diesem Jahr aber auf jeden Präsenzgottesdienst verzichten und nicht hingehen. Und wir feiern. Zuhause. Stiller als sonst, ruhiger, weil auch mit weniger Terminen im Kalender.

Also sollten Präsenzgottesdienste in diesem Jahr gefeiert werden oder nicht?

Volkhard Guth: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Das zeigt aber die Ambivalenz, in der wir als Kirche stecken. Wir dürfen unter klaren Schutzbedingungen und Auflagen feiern. Aber ist das, was wir dürfen, auch angeraten? Es ist doch so: Die Kontaktbeschränkungen und auch die Ausgangssperren dienen der unbedingt notwendigen Kontaktreduzierung. Und was die Politik will, zeigt sich auch heute bereits in der Ankündigung, dass es für Silvester keine Ausnahme von der Ausgangssperre geben soll. Wir liegen in der Wetterau aktuell bei einem Inzidenzwert von weit über 200. Was für den privaten Bereich gilt und für jede Form von Kultur- oder Sportveranstaltung, gilt auch für Gottesdienste: hier begegnen sich erst einmal viele Menschen aus unterschiedlichen Haushalten. Und das kann kritisch sein. Der politische Wille hinter allen Maßnahmen ist klar: maximale Kontaktreduzierung. Das steht auf der einen Seite.

Auf der anderen Seite bin ich der hessischen Landesregierung aber auch dankbar, dass sie mit den Ausnahmen für Weihnachtsgottesdienste ein klares Bekenntnis zum Grundgesetz ausspricht. Religion und Religionsausübung sind geschützt und das ist ein hohes Gut in einem demokratischen Rechtsstaat. Niemand, der Präsenzgottesdienste feiert, soll sich dafür rechtfertigen müssen. Aber er muss es in diesem Jahr doch gut erklären.

Der Ball liegt also im Feld der Kirchen.

Es wird also beides geben? Gemeinden die Gottesdienste feiern und Gemeinden, die darauf verzichten?

Volkhard Guth: Wir müssen achtgeben, dass wir mit dieser Frage nicht die Frage „Weihnachten oder Nicht-Weihnachten?“ implizit stellen. Ich habe den Eindruck, dass das vielfach so gesehen wird. Weihnachten wird. Auch ganz ohne unsere gewohnten Feiern. Das ist vielleicht auch eine Demutsübung, die wir als Kirche in diesem Jahr lernen dürfen. Nicht wir tragen Weihnachten mit unseren Feiern, sondern Weihnachten – die Botschaft der Weihnacht - trägt uns in unserem Leben.

Gibt das Dekanat den Kirchengemeinden eine Richtung vor?

Volkhard Guth: Der Dekanatssynodalvorstand hat in seiner Sitzung am 16. Dezember beschlossen, den Kirchengemeinden zu empfehlen, bis zum 10. Januar auf alle Präsenzgottesdienste zu verzichten. Damit geht er freilich weiter, als es die Landeskirche tut.

Aber sollen wir nicht Kirche bei den Menschen sein?

Volkhard Guth: Ohne Zweifel. Das sollen wir und das sind wir auch noch immer. Aber es ist doch ein Irrtum zu meinen, wir seien es, weil und nur wenn wir nun an Präsenzgottesdiensten festhalten – noch dazu, wo wir mit Zugangsbeschränkungen und Obergrenzen arbeiten müssen. Wo es strenggenommen untersagt ist, nach dem Gottesdienst beieinander zu stehen und sich so ein frohes Fest zu wünschen.

Das Evangelium von der Menschwerdung soll in der Welt präsent sein. Und da haben unsere Gemeinden längst viel mehr Wege beschritten, als nur Präsenzgottesdienste. Da gibt es tolle lokale Angebot im Netz, da haben wir als Dekanat zwei Gottesdienste vorab produziert, da haben über 30 Gemeinden in diesem Jahr den zentralen Vers der Weihnachtsgeschichte als Banner für ihre Orte bestellt. Die westliche Wetterau wird in den kommenden Tagen an vielen Stellen dieses wunderbare Wort lesen können: „Fürchtet euch nicht! … Ich verkündige euch große Freude!“

Manche Pfarrer sagen mir, dass sie nun, wo sie alle Weihnachtsgottesdienstvorbereitungen stoppen müssen bzw. können, sich die Zeit nehmen, gerade an Weihnachten bei denen anzurufen, von denen sie wissen, dass sie in diesem Jahr einsam oder alleine sind. Das ist Seelsorge. Dafür sind wir da. Damit sind wir doch Kirche bei den Menschen.

Aber Weihnachten ganz ohne gesungenes „O du Fröhliche“?!

Volkhard Guth: Dieses Jahr kann ein stilleres Weihnachten werden. Aber was ist schlecht daran? Vielleicht kommen wir gerade so nochmal dichter an den Kern der Weihnachtsbotschaft. Einfach mal im Kreis der Familie diese alte Geschichte aus der Bibel neu lesen. Sie in unterschiedlichen Übersetzungen hören, eine Andacht miteinander lesen. Das wird ein stilleres Weihnachten als sonst, vielleicht ist das einer Pandemiezeit aber auch angemessen. Aber es wird doch Weihnachten sein. Gott ist Mensch geworden. Das gilt. Und darum ist auch dieses Weihnachten ein fröhliches Weinachten. Also wird das Lied doch gesungen – unter Umständen dann zuhause, alleine oder im Kreis der Familie. Insofern kann ich in diesem Jahr frohen Mutes auch zuhause bleiben. Übrigens: In einem unserer Dekanatsgottesdienste auf der Homepage singen wir „O du Fröhliche“ am Schluss, da ist jeder eingeladen, mitzusingen!! Und vielleicht gelingt es uns in diesem Jahr, das mit unseren Nachbarn zu singen – jeder auf seinem Balkon.

Was sagen Sie also den Gemeinden?

Volkhard Guth: Dass ich weiß, wie schwer es ist, in diesem Jahr diese Verantwortung wahrzunehmen. Das sage ich mit großem Respekt und Dank in Richtung der Ehren- und der Hauptamtlichen. Jeder Beschluss, Präsenzgottesdienste zu feiern oder auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, findet seine Befürworter und seine Kritiker. Jede Seite hat Gründe, die wir nicht gegeneinander ausspielen sollten. Denn sie gehen von unterschiedlichen Grundannahmen aus.

Alles, was wir als Kirche machen, muss dem Leben dienen. Alleine daran werden wir gemessen. Das gilt in diesem Jahr ganz praktisch für die Frage verantwortbarer Schutzkonzepte wie auch für den Verzicht auf Präsenzveranstaltungen, weil das Risiko angesichts hoher Inzidenzen und die gesellschaftliche Akzeptanz mitbetrachtet werden.

Wo wir das beherzigen, können wir gut Kirche sein und dort kann es ein gesegnetes und friedvolles Weihnachtsfest werden. Und das wünsche ich allen Kirchenvorständen und Gemeindegliedern und allen Menschen im Dekanat. Frohe Weihnachten!

 

Extra: Brot für die Welt auf Spenden angewiesen

 

Da viele Präsenzgottesdienste ausfallen, gehen auch die Kollekten-Einnahmen zurück. Aber gerade die Aktion „Brot für die Welt“, für die traditionell an Weihnachten gespendet wird, ist auf die großzügigen Spenden an Weihnachten angewiesen, um weltweit vielen Menschen helfen zu können. Es gibt viele gute Möglichkeiten, wie Sie diese wertvolle Arbeit auch in der aktuellen Zeit unterstützen können: Zum Beispiel über das Spendenkonto von "Brot für die Welt": Brot für die Welt | IBAN: DE10100610060500500500 | BIC: GENODED1KDB | Bank für Kirche und Diakonie. Oder über die Internetseite www.brot-fuer-die-welt.de.


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